Bla Bla Land: Wir reden uns die Wahrheit schön!

Wenn ich die Kunst des Schönredens beherrschen würde, ständ jetzt hier schon ein Text. Dann hätte ich mir in den letzten 30 Minuten ein paar Zeilen aus den Finger gesaugt und würde bereits im Bett liegen. Auf dem Wühltisch für abgedroschene Floskeln findet sich schließlich immer die eine oder andere Formulierung, die einem aus der Patsche hilft. „Anderen Mannschaften geht es auch nicht besser“, „Die Länderspielpause kommt genau zum richtigen Zeitpunkt“ oder „Wir dürfen jetzt nicht hektisch werden“ sind einige der Formulierungen, mit denen ich mir den Blogger-Abend deutlich hätte verkürzen können. Und sie würden sogar zu unserer sportlichen Situation passen.

völler und herrlich lenken von den eigenen schwächen ab

Doch tatsächlich sitze ich hier vor meiner Tastatur und überlege mir, wie ich in diesen Blogbeitrag hineinfinde. Es ist 22:10 Uhr am Montagabend, Kind und Frau schlafen schon und meine müden Finger haben heute eigentlich schon genug Buchstaben sortiert. Aber ich muss mir diesen Beitrag jetzt noch von der Fanseele schreiben. Das hat ein bisschen was mit Gerechtigkeit zu tun. Denn ich habe das Gefühl, dass mich die Verantwortlichen unseres Vereins in Interviews immer häufiger mit halbgaren Aussagen vertrösten wollen. Hauptsache, die Kritiker halten die Klappe und glauben am besten noch an die Predigten aus der Floskelschublade.

[su_quote]Ich fühle mich als Fan einfach für dumm verkauft und nicht ernst genommen![/su_quote]

Durch Aussagen wie „hier einen Punkt mitzunehmen, ist eigentlich immer ein Erfolg“ von Heiko Herrlich nach dem 0:0 in Freiburg oder „Heiko macht es gut, bleibt ruhig und holt alles aus der Mannschaft raus“ von Rudi Völler fühle ich mich als Fan einfach nur für dumm verkauft und nicht ernst genommen. Wir stehen mit einem der besten Kader in der Bundesliga auf Platz 14. Nur Nürnberg und Hannover haben mehr Tore kassiert als wir und unsere Mannschaft konnte noch in keinem der bisherigen 10 Pflichtspiele in dieser Saison über 90 Minuten überzeugen. Also, wie kommen die auf solche Aussagen?

Fehler #1: die kaderplanung

Naja, zumindest erreichen sie damit, dass die wahren Gründe für diese Misere erstmal nicht so offensichtlich sind. Vielleicht ärgern sie sich ja auch selber derart über die schlechten Leistungen, dass sie sich ihre eigene Wahrheit schönreden.  Wenn man sich nämlich nur mit sich selbst beschäftigt, könnte man ja auf die eigenen Schwächen stoßen. Und die bringen ja in der Regel eher unangenehme Gefühle mit sich. Man müsste sich eingestehen, dass man Fehler gemacht hat.

Unser Geschäftsführer müsste  dann zugeben, dass man in der Sommerpause vielleicht nicht das beste Händchen auf dem Transfermarkt hatte. Bestes Beispiel: Benjamin Henrichs. Den könnten wir aktuell nämlich sehr gut gebrauchen. Nicht weil Mitchell Weiser schlecht spielt, sondern weil wir besonders auf den Außenverteidigerpositionen so gut wie keine Alternativen haben. Ein Tin Jedvaj spielt seit Monaten nur noch Schrott, trotzdem lassen wir mit Henrichs einen sehr talentierten jungen Nationalspieler in Richtung Monaco ziehen. Und dann beklagt sich unser Trainer in einer der letzten  Pressekonferenzen, dass wir „nicht rotieren können wie andere“.

Fehler #2: kein plan auf dem platz

Das darf niemals eine Entschuldigung oder eine Erklärung  für die bisherigen Leistungen sein! Es stehen immer noch genug sehr gute Spieler auf dem Platz. Doch die schaffen es im Moment nicht – aus welchen Gründen auch immer –, ihr Leistungsvermögen abzurufen. Irgendwie wird es am Ende dann ja doch noch für die Saisonziele reichen. Und das ist genau unser Problem: Wir geben uns mit dem zufrieden, was uns angeboten wird. Wir holen uns aber nicht das, was wir unbedingt wollen!

[su_quote cite=“Moritz Dorweiler kommentierte #PillenPost 7. Spieltag“ url=“http://pillenliebe.de/pillenpost-scf-bayer04/#comments“]Wenn Herr Völler sagt „Wir haben von den vergangenen sechs Spielen vier gewonnen, einmal verloren und einmal unentschieden gespielt. Das ist eine sehr ordentliche Bilanz „, überkommt mich die Wut. Wir haben nicht in einem der vier gewonnenen Spielen komplett überzeugt. [/su_quote]

Allein vom guten Zureden laufen die Spieler sicher auch nicht schneller. Doch diese ewige Weichspülerei neben dem Platz ergänzt sich gerade perfekt mit den Leistungen auf dem Platz. Ich habe oft den Eindruck, als wüssten die Spieler überhaupt nicht, was sie gerade tun sollen. Das beste Beispiel dafür war die zweite Halbzeit gegen den BVB. Ein Gegentor genügte schon, um unsere Spieler vor unlösbare Aufgaben zu stellen. Noch nicht mal spielerisch, sondern mental. Der schwarz-gelbe D-Zug hat unsere Jungs innerhalb von 20 Minuten überrollt. Und als wir es gemerkt haben, war es schon zu spät.

Fehler #3: der mannschaft alibis geben

Bis jetzt habe ich daran geglaubt, dass Heiko Herrlich dieser ewig talentierten Mannschaft das Phlegma des ewigen Verlierers austreiben kann. Dass er sich in seiner zweiten Saison unterm Bayerkreuz schon anhört wie Völler ist kein gutes Zeichen. Wir brauchen jemanden an der Seitenlinie, der – auch öffentlich – einen anderen Anspruch formuliert, der Mentalität in dieses Team bringt und nicht mit jeder Aussage noch mehr Raum für ein mögliches Scheitern schafft.

[su_quote cite=“Maximilian Kuske kommentierte #PillenPost 7. Spieltag“ url=“https://www.instagram.com/p/Boo3k7VnN_z/“]Positiv: Eine stabile und keine katastrophale Leistung gezeigt. Nicht verloren, kein Gegentor. Negativ: Freiburg ist für mich diese Saison qualitativ ganz unten mit dabei. Sieg ist Pflicht, gerade für unsere Möglichkeiten. Regen mich die Aussagen auf, ein 0:0 in Freiburg ist ein Erfolg ? Und wie ! Glaube ich mit diesem Trainer an einen Umschwung ? Immernoch![/su_quote]

Das muss nicht zwangsläufig ein anderer Trainer sein, denn an denen liegt’s wohl am wenigsten. Doch Heiko Herrlich muss aufpassen. Es sind hier schon andere Trainer vor ihm mit einer hochtalentierten Mannschaft eher an der Mentalität als dem spielerischen Vermögen der Truppe gescheitert. Als Roger Schmidt im März 2017 nach der 2:6-Niederlage gegen den BVB von einem „Schritt in die richtige Richtung“ sprach,  war das offenbar selbst den Verantwortlichen zu viel Schönrederei. Schmidt musste gehen. Wir standen damals übrigens am 23. Spieltag auf Platz 10 der Tabelle mit fünf Punkten Abstand zu den internationalen Plätzen. Heute sind es nach sieben Spielen Platz 14 und sechs Punkte Rückstand auf den Europapokal. Die Tabelle hat eben kein Bock auf Schönrederei. Sorry, die Floskel lag hier so herum.

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